Europa neu denken?

Die meisten von Ihnen werden es mitbekommen haben: Auf dem Bundesparteitag in Riesa am 18./19. Juni sorgte ein Antrag für heftige Diskussionen, der unter dem Titel „Europa neu denken“ eine „Resolution zur Europapolitik“ enthielt. Diese Resolution wurde zum politischen Zankapfel – dabei ist sie, finde ich, gar nicht schlecht.

Ich habe den Text der Resolution im Folgenden allgemeinverständlich zusammengefasst und stelle ihn hiermit zur Diskussion. Mein Hintergedanke dabei: Hätten sich Delegierte und Bundesvorstand im Vorfeld des Parteitages inhaltlich damit auseinandergesetzt, wären die Eskalation und die schädliche Außenwirkung vermieden worden. Außerdem erleben wir Zeiten in unserer Partei, in dem die inhaltliche und politische Diskussion ins Hintertreffen zu geraten droht und etwa der dafür vorgesehene Tag eines Landesparteitages ersatzlos gestrichen wird: Dabei ist Diskussionskultur nötiger denn je. Mir geht es darum, den parteiinternen Dialog konstruktiv zu befördern.

Ihre Meinung zählt! Was finden Sie gut, was schlecht, was ausbaufähig? Schreiben Sie mir: info@dietmar-friedhoff.de

Hier als Diskussionsgrundlage die wichtigsten Punkte der Resolution:

Deutschland und seine europäischen Partner müssen sich entscheiden, ob sie in den aktuellen Konflikten zum Objekt fremder Interessen werden oder ob sie aktiv mitgestalten wollen. Sie müssen sich entscheiden zwischen einem neuen bipolaren Ringen von Supermächten (USA und China) oder einer multipolaren Weltordnung des Interessenausgleichs und der Koexistenz. Als patriotische Deutsche und überzeugte Europäer treten wir ein für einen starken europäischen Pol in der multipolaren Weltordnung, für ein Europa, das uns schützt: Dafür brauchen wir eine grundlegende Erneuerung der europäischen Zusammenarbeit.

Europa, einst Wiege der Freiheitsidee, ist zu einem Projekt abgehobener Eliten geworden, an dessen Ende mit der heutigen EU ein fehlgeleitetes und dysfunktionales politisches Gebilde steht. Die AfD halt daher eine einvernehmliche Auflösung der EU und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig – als einem Staatenbund souveräner und eigenverantwortlicher Nationen.

Als zentrale gemeinsame Interessen betrachten wir (1) einen gemeinsamen Markt, (2) die Erlangung strategischer Autonomie, (3) den wirksamen Schutz der Außengrenzen und (4) die Bewahrung der europäischen Kultur und Identität. Zwischen diesen Grundpfeilern soll es (5) ein flexibles Europa funktionaler Verträge geben, die unabhängig voneinander, bi- oder multilateral, zwischen Mitgliedsstaaten abgeschlossen werden können.

Die Formel unseres Europa-Konzeptes lautet: Einheit und Stärke nach außen und subsidiäre Vielfalt nach innen.

Die Leitlinien hierfür:

(1) Freiheit und Selbstbestimmung der Mitgliedsstaaten: Primat der nationalen Verfassungen, Subsidiaritätsprinzip

(2) Gemeinschaft statt Super-Staat: keine Exekutivbefugnisse für die neue europäische Gemeinschaft

(3) Binnenmarkt mit Ziellandprinzip: gemeinsamer Markt und Handelspolitik, Zollunion und Freizügigkeit, keine Einwanderung in die Sozialsysteme

(4) Währungs-, Steuer- und Haushaltshoheit der Mitgliedsstaaten

(5) Strategische Autonomie: Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft EVG als Bündnis der nationalen Armeen

(6) „Festung Europa“: Beendung der irregulären Masseneinwanderung nach Europa

(7) Ausgleich mit Russland

(8) Für eine friedliche Welt nationaler Vielfalt: „So wie wir aus unserer Tradition heraus leben wollen, sollen auch alle anderen Kulturräume und Zivilisationen das tun können.“

Die ausführliche Fassung der Resolution kann im Antragsbuch, S. 8 ff., nachgelesen werden: https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2022/06/2022-06-02-Antragsbuch_Riesa_anonymisiert.pdf