Jahrzehntelang trugen sie mit ihrem Fleiß und ihrer Arbeitskraft zum Erblühen vormals kaum bewohnter Regionen in Russland bei: die deutschen Siedler, die, beginnend Mitte des 18. Jahrhunderts, auf Einladung der russischen Zarin Katharina der Großen und deren Nachfolger ins Land kamen und im 20. Jahrhundert in die Mühlen der stalinistischen Deportation und Verfolgung gerieten. Eine Million deutscher Kolonisten verzeichnete Russland in den 1890er Jahren; die meisten von ihnen lebten an der unteren Wolga und im Schwarzmeergebiet sowie in Wolhynien, im Kaukasus und in Sibirien. Bis 1914 war ihre Zahl auf über zwei Millionen angewachsen. Während des Ersten Weltkrieges, in dem das Zaren- und das Kaiserreich einander als verfeindete Mächte bekämpften, erlebten diese deutschen Minderheiten trotz ihrer Loyalität gegenüber der russischen Regierung eine Diskriminierungs- und Russifizierungswelle, die allerdings nur ein Vorgeschmack des späteren kommunistischen Terrors war. Mit Beginn des sowjetisch-deutschen Krieges am 22. Juni 1941 und dem sogenannten Stalin-Erlass setzten die großangelegten Deportationen der deutschstämmigen Bevölkerung in Viehwaggons ein, die insbesondere nach Kasachstan und nach Sibirien rollten, und der rücksichtslose Einsatz von Männern, Frauen und Kindern als Arbeitssklaven. Genaue Opferzahlen sind nicht bekannt, man schätzt um die 700.000, die an Hunger, Willkür und Arbeitsbedingungen zugrunde gingen. Es ist diese tragische Episode unserer an Leid nicht armen Geschichte, der wir heute, am Tag der Russlanddeutschen, gedenken. 1945 setzte sich das Elend mit der Vertreibung der Deutschen aus den damaligen Ostgebieten fort – doch auch darüber hinaus bilden ethnische Vertreibungen („Säuberungen“) eine erschütternde Konstante der Menschheitsgeschichte. Bis in unsere Gegenwart hinein ziehen die von den politischen Eliten geplanten und ausgelösten Kriege stets das Elend von Minderheiten nach sich, die zur Zielscheibe des medial geschürten Hasses werden. Im Ukraine-Krieg ist es nicht anders, und die Unterdrückung der Sprache und Kultur einer Minderheit ist oft nur ein erster Schritt, dem härtere Gewaltmaßnahmen folgen. Auch dies sollten wir am heutigen Tag im Gedächtnis behalten.